Alma Mahler-Werfel und Berlin - Teil 3
|
|
Der junge Dichter
Franz Werfel, Almas
dritter Ehemann |
Die Ehe wurde im Oktober 1920 beim Landgericht III in Berlin
geschieden. Walter Gropius erwies sich als Gentleman: Er nahm
alle Schuld auf sich und ließ es sogar zu, dass Alma
als Klägerin gegen ihn auftrat. Um die angebliche Untreue
des Ehegatten nachzuweisen, wurde eine bühnenreife Posse
konstruiert: ein Hotelzimmer mit Privatdetektiven, Walter
Gropius und eine Prostituierte, ein in flagranti erwischtes
Paar, Zeugenvernehmungen und eidesstattliche Versicherungen.
Am Ende stand die totale Verdrehung der Tatsachen. Nicht Alma,
die in Wien bereits eine Affäre mit dem jüdischen
Dichter Franz Werfel angefangen hatte, sondern Walter Gropius
wurde der ehelichen Untreue überführt.
Auch in den Jahren nach Gropius pflegte Alma enge Kontakte
nach Berlin vor allem besuchte Manon Gropius, die gemeinsame
Tochter, immer wieder den Vater in Berlin.
|
|
|
|
|
|
|
|
Manon Gropius
zu Besuch bei ihrem Vater in Berlin |
Und auch Almas Tochter Anna Mahler war nach dem Scheitern
ihrer ersten Ehe nach Berlin geflüchtet. Hals über
Kopf hatte sie sich in das quirlige Leben einer aufstrebenden
Metropole mit über 4 Millionen Einwohnern gestürzt.
Anna empfand Berlin als die Stadt der Moderne. An der Kunstakademie
in Charlottenburg studierte sie offiziell Malerei, wobei sie
Ende Februar 1922 den jungen Komponisten Ernst Krenek kennen
lernte, der kurz zuvor sein Studium bei Franz Schreker abgeschlossen
hatte. Alma hatte tatsächlich das Zeug dazu, das
Leben zu einem schwindelerregenden Karussell zu machen,
erinnert sich Ernst Krenek später. Alma lud Anna und
Krenek in die besten Restaurants Berlins ein, wo sie raffinierte,
komplizierte und sichtlich teure Speisen und vor allem reichlich
schwere Getränke aller Art orderte.
|
|
Anna Mahler, Almas Tochter mit
Gustav Mahler |
Alma liebte das weitläufige, mondäne und luxuriöse
Flair Berlins - die breiten Boulevards, schicke Restaurants
wie das Borchardt am Gendarmenmarkt, wo Berlins
feine Gesellschaft zusammen kam oder die vielen Intellektuellencafes
an der Gedächtniskirche oder am Potsdamer Platz. Berlin
war bereits zu jener Zeit eine Stadt, die nie schlief, wie
sich Josephine Baker erinnerte: Die Stadt hatte einen
juwelenartigen Glanz, besonders bei Nacht, den es in Paris
nicht gab. Die riesigen Cafés erinnerten mich an Ozeandampfer,
die vom Rhythmus ihrer Orchester angetrieben werden. Überall
war Musik.
Am 14. Dezember 1925 fand in Berlin die umjubelte Uraufführung
von Alban Bergs Oper Wozzeck unter der Leitung
von Erich Kleiber in der Oper unter den Linden statt. Alma
erinnert sich: Alban Bergs Oper war nun gedruckt und
wurde sofort angenommen. Erich Kleiber, der eine hervorragende
Stellung and der Berliner
Staatsoper hatte, sicherte sich die Premiere. Franz Werfel
und ich fuhren zu den letzten Proben nach Berlin. Als wir
im Hotel ankamen, lag auf dem Tisch eine schöne große
Mappe mit dem ersten Particell-Manuskript des "Wozzek",
in dessen Ecken "Alban - Alma" eingraviert war.
Wir lebten und webten mit diesen Proben und verwuchsen immer
mehr mit dem schönen Werk. Der Eindruck der Oper bei
der Premiere war stark, aber die Menschen, die einen grossen
Erfolg erlebt hatten, verstanden nicht viel davon.Die
Premierengäste - darunter Alma - versammelten sich anschließend
zur Feier m Hotel Adlon.
Zu Almas Berliner Freunden und Bekannten gehörten Gerhart
Hauptmann, Wilhelm Furtwängler, Otto Klemperer, Erich
Kleiber oder auch Politiker wie Heinrich Brüning. Bei
der Drucklegung des Wozzeck hatte Alma ihrem Freund
Berg finanziell unter die Arme gegriffen, der ihr aus Dankbarkeit
die Oper widmete.
|
|
Alma mit Alban und
Helene Berg und Franz Werfel im Urlaub |
Bis Anfang Februar 1926 blieben Alma und Werfel in Berlin
und genossen das gesellschaftliche Leben der Metropole in
vollen Zügen. Als Franz Werfel der renommierte Grillparzer-Preis
zuerkannt wurde, erreichte seine Popularität einen neuen
Höhepunkt. Dazu trug auch die Berliner Erstaufführung
des Stückes Juarez und Maximilian bei, das
unter der Regie Max Reinhardts am 29. Januar im Deutschen
Theater einen sensationellen Erfolg verbuchen konnte. Das
mondäne Flair der deutschen Reichshauptstadt hatte es
Alma angetan. Der kunstsinnige und wohlhabende Teil des Berliner
Establishments ließ es sich nicht nehmen, den Bestsellerautor
und seine berühmte Frau zu unzähligen Empfängen
zu bitten.
|
|
|
|
|
|
Franz Werfel:
Paulus unter den Juden
Szenephoto mit Friedrich Kaysler, Ernst Deutsch und
Kurt Gerron (1929)
|
|
Franz Werfel und Max Reinhardt
|
Franz Werfel und das Deutsche Theater
Berlin
Die Troerinnen
(Projekt, von Euripides, Übersetzung: Werfel)
angekündigt 9. April 1916. Wegen Doppelvertrages des
Verlages mit dem DT u. dem Lessing-Theater Verzicht Reinhardts
zugunsten Victor Barnowskys. Uraufführung im Lessing-Theater
am 22. April 1916.
Der Besuch aus dem Elysium
UA 9. Juni 1918 KSP Matinee (3 Vorstellungen) R: Heinz Herald
(innerhalb der Reihe Das junge Deutschland, eine
von Reinhardt im November 1917 ins Leben gerufene Gesellschaft
zur Pflege der dramatischen Gegenwartsliteratur. Dieser Gesellschaft
gehörten an: Franz Werfel, Gerhart Hauptmann, Wolfgang
Heine, Harry Graf Kessler, Walther Rathenau, Max Reinhardt,
René Schickele, Wilhelm Schmidtbonn, Nikolaus Graf
Seebach, Frank Wedekind, Theodor Wolff, Heinrich Wölfflin
u.a.m.)
Spiegelmensch
(Projekt) angekündigt 21. April 1920, nicht ausgeführt.
1920: Reist Werfel erhielt ein Telegramm von Max Reinhardt,
der ihn einlud, Mitte April in Berlin aus seinem Neuling Spiegelmensch
vorzulesen. Begeistert bat Werfel Alma, ihn in Berlin zu besuchen,
und engagierte sogar für Manon ein Kindermädchen.
In Berlin bekannte sich Alma auch öffentlich zu Werfel:
Freimütig zeigte sie sich mit ihm in der Öffentlichkeit,
begleitet ihn in Cafés und Restaurants.
Juarez und Maximilian
29. Januar 1926 DT (53 Vorstellungen) R: Max Reinhardt. Sensationeller
Erfolg. Werfel ist in aller Munde.
Paulus unter den Juden
20. April 1929 DT (29 Vorstellungen) R: Karl-Heinz Martin,
mit Ernst Deutsch (Paulus), Kurt Gerron, Friedrich Kaysler
Immer wenn Alma und Franz Werfel nach Berlin kamen, besuchten
sie das Theater, in dem Fritzi Massary auftrat, die große
Dame der Operette in der Weimarer Republik. Die beiden Frauen
waren schon in den 20er Jahren gut befreundet. Sie trafen
sich auch später oft in Beverly Hills. Alma war voll
Verständnis für ihre "zutiefst geistreiche"
Freundin und bewunderte sie: "Ich hatte und habe eine
liebende Verehrung für Fritzi Massary, eine der merkwürdigsten
Künstlerinnen, die ich je erlebt habe. Sie brachte ihren
Geist in die dümmste Operette und machte dadurch Unwahrscheinliches
wahr."
|
|
|
|
|
|
Alma und Franz Werfel
|
|
Wozzek
|
Am 5. Mai 1933 unterschrieb der Präsident der Preußischen
Akademie der Künste, Max von Schillings, einen Formbrief,
der auch Franz Werfel per Einschreiben erreichte. Darin hieß
es, dass er nach den für die Neuordnung der kulturellen
staatlichen Institute Preußens geltenden Grundsätze
künftig nicht mehr zu den Mitgliedern der Abteilung für
Dichtung gezählt werden.Fünf Tage später
erreichte der nazistische Terror eine weitere Eskalationsstufe.
|
|
10. Mai 1933: Bücherverbrennung
auf dem Opernplatz
|
Als Höhepunkt einer von Reichspropagandaminister Joseph
Goebbels angeordneten Aktion wider den undeutschen Geist
wurden in zahlreichen deutschen Universitätsstädten
Bücher missliebiger Autoren verbrannt. Allein auf dem
Berliner Opernplatz wurden rund zwanzigtausend Bücher
in die Flammen geworfen. Neben den Werken Stefan Zweigs, Arthur
Schnitzlers, Sigmund Freuds, Karl Marx' und vieler anderer,
schleuderten die selbsternannten Kulturwächter auch Franz
Werfels Spiegelmensch und Bocksgesang,
Abituriententag und Die Geschwister von
Neapel, Juarez und Maximilian und Paulus
unter den Juden in die Feuersbrunst.
Ende Oktober 1937 fand wahrscheinlich Alma Mahler-Werfels
letzter Besuch in Berlin statt. In der deutschen Reichshauptstadt
schlenderte sie in Begleitung ihrer Tochter Anna heimlich
- nicht ganz ungefährlich, galt Anna in der NS-Ideologie
doch als Halbjüdin - durch die Straßen
und betrachtete die allenthalben mit der Hakenkreuzfahne geschmückten
Häuser. Die Militarisierung der deutschen Gesellschaft
machte auf Alma dennoch großen Eindruck. Ein ganzes
Volk stand dort in Waffen, schrieb sie später bewundernd
in ihr Tagebuch, während im Ausland alles soff,
fraß, vögelte und schlief.
|
|
|
|
|
|
Franz Werfel |
|
Almas Passbild |
< zurück
|
|