13e MANONS DEATH
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GROPIUS Ah,
Pater! Hören Sie sich das an: (liest:) «Franz ist
ein winziger Vogel in meiner Hand, mit Herzklopfen und wachsamen
Augen, den ich vor Wetter und Katzen schützen muß.
Manchmal versucht er zwar, ein Held zu sein, aber als kleinen
Vogel liebe ich ihn mehr, weil der andere Teil seines Wesens
mich nicht braucht.» -Ist das so schlimm, daß
sie aus Werfel einen großen Künstler gemacht hat?
HOLLNSTEINER Ihre
Frau Alma ist von dem in den letzten Tagen Erlebten so sehr
angegriffen, daß sie leider nicht im Stande ist, Ihnen
jetzt selbst zu berichten. Da sie aber nicht will, daß
Sie lange in quälender Unklarheit bleiben, hat sie mich
beauftragt, Ihnen den Bericht von den letzten Tagen Ihrer
Tochter abzulegen. Wenn Sie mir also diese Freiheit erlauben
wollen...?
GROPIUS Ja.
Natürlich. Gern.
HOLLNSTEINER Sehen
Sie... Bis Karsamstag Mittag war Manons Befinden eigentlich
ganz normal. Wir mußten natürlich feststellen,
daß die Symptome der Lähmung nur sehr, sehr sehr
langsam verschwanden und auch eine Röntgenbehandlung
hatte zunächst auch nur eine erhöhte Temperatur
und etwas Kopfschmerzen zur Folge. Wir legten dem also auch
keine Bedeutung bei. Ganz überraschend stellte sich aber
dann plötzlich Erbrechen ein. Und als der herbeigerufene
Arzt dies nicht stillen konnte und uns auch der Herzschlag
geschwächt schien, wurden sofort Kapazitäten hinzugezogen.
Prof. Pölzl verabschiedete sich dann auch am gleichen
Abend noch sehr hoffnungsfreudig von Werfel und sprach: Sie
werden morgen sicher ein schönes Osterfest feiern."
Die Nacht war indes dann leider nicht so gut wie angekündigt
und am Morgen des Ostertsonntages verlangte die kleine Mutzi
dann so dringend nach mir, daß ich mit einer Geschwindigkeit
von 100 Stundenkilometern in einem rasch zustande gebrachten
Auto von Oberösterreich nach Wien kam. Ich traf Ihre
Tochter in einem sehr ernsten, aber vielleicht noch nicht
hoffnungslosen Zustand an. Es war wohl ein Wiederaufflammen
der Urkrankheit, ein Weitergreifen aus einem geringfügigen,
aber bis heute nicht ganz geklärten Anlaß. Jedenfalls
kam es zu sogenannten Vergiftungserscheinungen im Organismus,
die dann zu einer Magen und Darmlähmung führten.
Die Lähmungserscheinungen der Sprach und Schluckorgane
traten dann übrigens auch wieder auf. Man suchte natürlich
auf jede erdenkliche Weise Abhilfe zu schaffen und die Behandlung
sprach auch zunächst überraschend gut an, sodaß
die Ärzte abends mit den besten Hoffnungen das Haus verliessen
und auch Werfel und ich blieben selbstverständlich in
der Nähe. Und wie in den Nächten zuvor blieb auch
ein Arzt zurück, der gemeinsam mit Frau Alma und 2 Schwestern
am Bett ihrer Tochter durchwachte. Die entscheidende Verschlechterung
trat dann am Morgen ein, und alles, was ärztliche Kunst
vermag, wurde aufgewandt und alles versucht, was medizinisch
überhaupt möglich war. Als die Situation dann aber
für alle eindeutig erschien, wurden Sie natürlich
sofort verständigt, in der natürlichen Erwartung,
daß Sie mit dem ersten Flugzeug ans Krankenbett Ihrer
Tochter eilen würden. Denn mit einer Depesche über
die Todesgefahr eines Kindes dachten wir, daß Ihnen
wohl keine Behörde der Welt Einreiseschwierigkeiten
machen würde. Aber... Nun, sei es, wie es sei. Gegen
11 h deuteten mir die Ärzte dann jedenfalls an, daß
ihre Möglichkeiten erschöpft seien und daß
jetzt ich meine priesterliche Aufgabe zu erfüllen hätte.
Die Kräfte Manons schwanden immer mehr und mehr und...
die Augen frei, gerichtet in eine andere Welt, die Lippen
umspielt vom leisen Lächeln, das uns allen so bekannt
war, ging sie schließlich ruhig und ohne Kampf in das
andere Sein hinüber. Es war gegen 15 Uhr. Als Todesursache
wurde akute Magen und Darmlähmung festgestellt. Amtsärztlichen
Weisungen zufolge ist bei dieser Todesursache dann die Beerdigung
raschestmöglich durchzuführen, umsomehr, da wir
Mutzi ja noch in der Pfarrkirche aufzubahren gedachten. Ihre
väterlichen Wünsche wurden natürlich sehr in
Betracht gezogen, konnten aber letztlich leider nicht erfüllt
werden, da ja die Dispositionen bereits in den Tagesblättern
zu lesen waren und das Wesentliche und Sinnvolle Ihrer Reise
ja auch gar nicht mehr erreichbar gewesen wäre. Denn
da ich weiß, daß Mutzi im Stillen immer sehnsüchtig
auf Ihren Besuch gehofft hatte, wäre durch Ihr Kommen
zu lediglich ihrem Begräbnis diese letzte verzweifelte
Sehnsucht Ihres Kindes ja dann doch nicht mehr gestillt worden.
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