14 A MASKED BALL
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Gustav Mahler erscheint. Er dirigiert ein unsichtbares Orchester.
Es spielt den 3. Satz seiner 1. Symphonie.
MAHLER Feierlich,
gemessen, ohne zu schleppen!
ALMA 1-3 (betreten
die Gesellschaft, maskiert als venezianische Kurtisanen.)
Bona sera, Signor Kokoschka!
OSKAR Wer
sind diese Frauen?
GROPIUS Die
kennst du nicht? Das sind doch drei berühmte venezianische
Kurtisanen.
ALMA Ich
hörte, Sie geben ein außergewöhnliches Fest.
ALMA Eine
Art Einweihungsparty?
ALMA Wo ist
die Frau, zu deren Ehren dieses wunderbare Maskenfest veranstaltet
wird?
OSKAR Hier!
Hier ist unser Ehrengast. Höchstpersönlich!
RESERL präsentiert
die Puppe den Anwesenden.
ALMA Oh!
Was für eine fantastische Puppe.
ALMA Ich
nehme an, sie ist eine Ihrer abgelegten Geliebten?
OSKAR Oh
nein. Sie ist meine große verflossene Liebe.
ALMA Ich
muß sagen, sie schaut wirklich wie lebendig aus.
ALMA Wie
ein getreues Ebenbild.
OSKAR Sie
ist kein Ebenbild. Sie ist das Original. Sie ist genau so,
was sie einmal war.
ALMA 1-3 Oh!...
Schlafen Sie mit ihr?
OSKAR Nicht
mehr. Aber ich pflegte es zu tun.
BURCKHARD Oh,
wie beneidenswert. Ich durfte ihr immer nur vorlesen.
KLIMT Mehr
als einen Kuß hat sie mir auch nie erlaubt, aber der
wird mir unvergeßlich bleiben.
ZEMLINSKY Mir
ging es nicht viel besser. Das letzte hat sie mir immer verweigert.
OSKAR Dann
ist jetzt eure Stunde gekommen, Freunde! Nützt sie! Sie
steht zu eurer Verfügung. Tut mit ihr, was immer ihr
wollt, wonach euch immer gelüstet - und schont sie mir
nicht! Schont sie mir nicht!! Ja nicht! - Alles Walzer!!!!!!
Musik. Die Puppe wird malträtiert und schliesslich geköpft.
Im Triumphzug tragen die Männer den Torso davon. Oskar
bleibt gebrochen zurück. Reserl entkleidet sich langsam
und steht zuletzt nackt vor ihm.
OSKAR Reserl!
Reserl!!! Hat Sie jemals ein Mann schon so gesehen?
RESERL Nein,
mein Rittmeister, noch nie hat ein Mann mich so gesehen.
OSKAR Warum
tun Sie das dann?
RESERL Wegen
dieser verdorbenen Frau, die Sie immer in Ihren Träumen
heimsucht und quält und foltert und peinigt. Es schmerzt
mich, sie leiden zu sehen, mein Rittmeister.
OSKAR Reserl,
Reserl, Reserl. Mein Gott! Sie lesen mich ja wie ein offenes
Buch.
RESERL Hören
Sie? Die Vögel beginnen schon zu singen. Es wird Tag.
Bald wird es hell sein. Wir werden einen Spaziergang über
die Pragerstraße unternehmen, mein Rittmeister und viele,
viele junge schöne Mädchen werden dort sein. Und
sie werden mich anstarren und bewundernd rufen und sich zuflüstern:
«Seht euch dieses glückliche Geschöpf an!
Die Seeligkeit spring ihr ja aus den Augen! Ist das nicht
schön, wie sie sich an den großen starken Mann
schmiegt, der sie in seinen Armen hält. Er hat die großen,
traurigen Augen eines Kindes, das sich standhaft weigert,
erwachsen zu werden. Er braucht sie!»
RESERL umarmt OSKAR.
OSKAR Was
tun Sie da, Reserl?
RESERL Ich
möchte Ihre gehorsame Dienerin sein, Rittmeister. Ich
stehe zu Ihrer Verfügung. Mit Leib und Leben. Mit Seele
und Atem. Ich existiere nicht mehr. Ich bin in Sie eingegangen,
Rittmeister. Tun Sie mit mir, tun Sie mit uns, was immer sie
wollen.
OSKAR Reserl,
Ich möchte, daß Sie diesen elenden Fetzenbalg nehmen,
in den Hof bringen und auf den Müll werfen oder noch
besser - verbrennen Sie ihn. Asche zu Asche, Staub zu Staub.
RESERL Ist
das alles, was ich für Sie tun kann, Rittmeister?
OSKAR Ja.
Ich fürchte, ja.
RESERL (in
grösster Verzweiflung) Dann bin ich nicht mehr Ihr Reserl.
Dann bin ich nicht mehr die Ihre. Wir werden uns nie mehr
wiedersehen. Sie haben es so gewollt.
Reserl stürzt davon.
OSKAR Reserl?...
Reserl!!... - Die Müllabfuhr kam und führte hinweg
im schmutzigen Licht der Morgendämmerung die traurigen
Überreste meiner unsterblichen Liebe. Auch von Reserl
hat man nie wieder etwas gehört. Nach dem zweiten Weltkrieg
hat man behauptet, sie sei bei der Bombardierung von Dresden
ums Leben gekommen. Ich glaube das nicht.
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