4b PANTALONE JOKES
>
download Word-Doc
1902. Bad. Wasserdampf erfüllt die Luft. ALEXANDER ZEMLINSKY,
GUSTAV KLIMT und MAX BURCKHARD in weißen Badetüchern,
teilweise in den Wannen. RESERL feuert die Badeöfen und
bedient die Gäste. ALMA 2 stürzt herein.
ALMA Ich
brauch etwas zu trinken! Gebt mir etwas zu trinken! Einen
Schnaps!Danke! Auf Euer Wohl! Ex! - Ahhh! Das war ein guter
Anfang. Jetzt möcht ich ein Glas Bier. Und einen Schnaps
dazu. Ich möchte mein Hirn in Alkohol ertränken.
Danke! Geben Sie mir noch einen. Ich muß mich betäuben!
Sagt mir, was tu ich eigentlich mit meinem Leben? Hmm? Kann
einer von euch mir sagen, was mit mir geschieht? Ich werfe
meine Jugend auf dem Mist, mein «joie de vivre»,
als ob sie ein alter, wertloser Fetzen wäre. Warum tu
ich das?!
KLIMT Weil
du eine dumme Kuh bist.
ALMA Komm,
Gustl! Sei nicht so dämlich.
ZEMLINSKY Was
gehst du uns mit deinen Problemen auf die Nerven?! Wenn du
etwas über deine Verrücktheit wissen willst, geh
und frag deinen Gustav!
ALMA Es ist
alles so schwerfällig, so trostlos, so grausam und öd,
so schrecklich morbid. Er hört nicht auf zu beteuern,
daß er mich liebt, aber was heißt das schon -
«Liebe»? Hmm? Er hat mich geküßt. Gut.
Er hat mir seine Musik vorgespielt. Und was war der Effekt?
Null. Bei mir rührt sich gar nichts.
KLIMT Vergiß
seine Musik! Was ist er für ein Liebhaber? Wie ist sein
Vorspiel dort?
ALMA Wenn
man es gut meint, kann man sagen, es ist lieb und wohl, aber...
(wendet sich an Zemlinsky:) Oh, Alex! Armer Alex! Es war wunderbar
mit dir! Unschuldig... leidenschaftlich... herrlich...
BURCKHARD Ach
Alex, wie beneidenswert...
ZEMLINSKY Lecken
Sie mich am Arsch, ja?!
KLIMT Mach
doch nicht so ein trauriges Gesicht, Alex! Du brichst mir
ja das Herz.
ALMA So vieles
an ihm irritiert mich: Sein Geruch, sein dauerndes Summen
(immitiert den Trauermarsch der 1. Symphonie:) «Ya-ba
bim by bam, Ya-ba bim by bam...» Und dann seine Sprache,
er spricht nicht mit mir, er spricht über mich hinweg...
er predigt und doziert...! (Plötzlich ändert sich
ihre Stimmung Sie ist das kleine, verwöhnte Mädchen,
das den Vater braucht:) Er ist wie ein Vater zu mir... Ein
sehr zärtlicher Vater... warm, mitfühlend und leidenschaftlich...
ZEMLINSKY singt
ein Kinderlied
ALMA Aber
niemals werd ich ihn so vermissen wie dich, Alex! Ich sehne
mich so unbeschreiblich nach dir. Nein, laß mich! Rühr
mich nicht an! - Und stellt euch vor, er kann meine Musik
nicht ausstehen! Er hält sie für wertlos!... Ich
soll mit dem Komponieren aufhören...
ZEMLINSKY Was?
BURCKHARD Nein!!
ALMA Meine
Musik hergeben! Weggeben... ! Das, wofür ich bis jetzt
gelebt habe! Das kann ich nicht!!! - Er hält von meiner
Kunst gar nichts, von seiner viel. Und ich halte von seiner
Kunst gar nichts und von meiner viel. So ist es! Und ich kann
seine Hände nicht ausstehen. Ich soll mein Leben an diesen
Menschen binden. Warum?... Oh mein Gott, mein Gott. Es ist
als hätte man mir mit kalter Faust das Herz aus der Brust
genommen! - Los, Alex, komm! Bring mich in Stimmung! Heitere
mich auf!
ZEMLINSKY Laß
mich in Frieden.
KLIMT Was
ist denn los mit dir, Alex?! Bring sie zum Lachen!
ZEMLINSKY Laß
mich zu Frieden! Ich sag es dir!
BURCKHARD Dann
werde ich Sie aufheitern. Darf ich's versuchen?
ALMA Oh,
ja, bitte! Bitte, bitte, bitte! Bei Ihnen fühl ich mich
immer so wohl, so fri-vol mit Ihrenschrecklichen Witzen! Los,
kommen Sie, Max, seien Sie so böse und geschmacklos und
gemein wie Sie können.
BURCKHARD Er
hat seine Liebste verloren, sein Mädchen. Armer Alex!
Und was für ein Mädchen! Alma Schindler. Alma Maria
Schindler! Kennen Sie die? Die berühmteste «Allumeuse»
von ganz Wien. Oh! «Alma l'Allumeuse!»
ZEMLINSKY Im
Alter von sechszehn entflammte sie den berühmtesten Don
Juan von ganz Wien, den berüchtigsten Satyr in der gesamten
Monarchie: Gustav Klimt! Er war hinter ihr her wie der Teufel
hinter der armen Seele, verfolgte sie wie Hannibal über
die Alpen und belagerte sie in der Lagune von Venedig. Er
teilte das Schicksal von Hannibal. Sie ließ ihn nicht
zu sich herein. Nur einen Kuß, einen jungfräulichen
Kuß, das war alles, was ihm gestattet war. Er mußte
sein Zelt vor den Toren der Stadt aufschlagen. Das war Almas
erster Sieg, Alma l'Allumeuse, die köstlichste Süßspeise
von ganz Wien. Oder ließ sie sich doch von ihm entweihen?
BURCKHARD He,
Alex, daß musst du doch wissen! Du bist doch der einzige,
der die Wahrheit kennt: Hast du sie defloriert, Kindchen?
Alex? Hast duvon ihrer Vanillie genasch, hat sie Dich von
ihrem Schlagobers kosten lassen? Na, komm, sag's uns doch!
ZEMLINSKY Lassen
Sie mich in Frieden!
KLIMT Oh,
er sie verloren! Und an wen? An wen? An einen jungen Prinzen
aus dem Morgenland? An einen berühmten Casanova? Einen
unwiderstehlichen Satyr? Nein, liebe Freunde. Nichts von alledem.
Er mußte das Feld räumen - ihr werdet es nicht
glauben - er mußte sie hergeben für einen kleinen,
verschrumpelten, verschwitzten, jüdischen Gnom - er hat
sie an Gustav Mahler verloren!
BURCKHARD Komm,
Alex, Kopf hoch, nur Mut! Direktor Mahler weiß doch
gar nicht, was er mit ihr anfangen soll. Für ihn hätt's
eine Puppe auch getan. Also lass den Kopf nicht hängen.
Hör Dir lieber ein paar gute alte aufmunternde Geschichten
an. Zum Beispiel die: Sitzt der Direktor Mahler mit einem
anderen Methusalem auf einer Parkbank. Geht die schöne
Alma vorbei und wirft ihnen einen feurigen Blick zu. «Schau
dir die an!», sagt der Methusalem, «Erinnerst
du dich noch, wie wir hinter diesen jungen Dingern hergelaufen
sind, wie wir sie vor uns hergetrieben haben wie die jungen
Pferde?» - «Ja, natürlich», sagt Gustav,
«das weiß ich noch ganz genau! Das war wunderbar!
Ich frage mich nur, warum wir ihnen eigentlich damals nachgelaufen
sind!»
Alle lachen.
KLIMT Kennt
ihr den? - Alma und Gustav liegen in der Hochzeitsnacht im
Ehebett nebeneinander. Die Nacht der Nächte! Good old
Gustav trällert wie üblich eine seiner alten jiddischen
Weisen vor sich hin und dirigiert dazu: ««Ya-ba
bim by bam, Ya-ba bim by bam...» usw. Die schöne
Alma liegt sehnsüchtig an seiner Seite, die Augen weit
geöffnet, in Erwartung der Dinge, die da kommen sollen.
Aber es geschieht nichts, immer nur «Ya ba-bim ba-bam,
Ya ba-bim ba-bam»... Stundenlang. Endlich reißt
Alma die Geduld und fleht Gustav an: «Gustav, bitte,
bitte, komm zu mir, komm! Ich muß immer an Zemlinsky
denken, wie leidenschaftlich der war, der hat mich immer gebissen
und... Ah, das war wunderbar!» «Na gut»,
sagt Gustav, »Das kann ich auch. Gibst du mir bitte
mein Gebiß aus dem Zahnputzglas herüber?»
ALMA Soll
das alles sein?! Jämmerlich! Jämmerlich!!! Ich wollte
lachen! Lachen!! Habt ihr mich gehört?! Lachen, bis mein
Kopf zerplatzt und mein Hirn an die Wand spritzt! Warum könnt
ihr mich nicht zum Lachen bringen?! Wozu sind Männer
denn da, wenn sie einen nicht einmal zum Lachen bringen können?
Kommt! Kommt! Bringt mich zum Lachen! Bringt mich zum Weinen!
Macht mich verrückt! Ich möchte mich spüren!
Spüren! Ich möchte nicht sterben, bevor ich tot
bin!
ZEMLINSKY Alma
und Gustav liegen im Bett und machen das Unaussprechliche.
Kurz vor dem Höhepunkt stammelt er: «Oh mein Gott,
oh mein Gott, ich sterbe, ich sterbe...!» Sagt sie:
«Oh, und ich dachte, du bist schon tot.!» Sagt
Gustav: «Na, ist es schön, Alma? Ist es schön?
Ist er gut drin?» Sagt Alma: «Nein, drin ist er
nicht!» Sagt Gustav: «Na, dann mach schnell Licht,
heraußen ist er auch nicht!» (Alma lacht wie verückt)
Am nächsten Tag geht's beiden schrecklich schlecht. Gustav
hatte eine Verkühlung und Alma mußte sich den Magen
auspumpen lassen wegen ranzigem Eiweiß.
ALMA Uaaghhh!...
I fühle mich schmutzig! So schmutzig!... Was ich euch
zu erzählen habe ist traurig, so ungeheuer traurig...
Ich war bei Gustav, nachmittags... wir waren ganz allein in
seinem Zimmer... er gab mir seinen Leib zur Verfügung
- und ich ließ seine Hand gewähren. Steif und in
aller Pracht stand sein Leben - er brachte mich zum Sofa -
legte mich liebreich hin... und schwang sich über mich.
Da... in dem Moment, wo ich ihn eingehen fühlte, verlor
er alle Kraft... zerschlagen lag er an meinem Herzen. Er weinte
fast vor Scham. Ich, selber auf das höchste traurig,
beruhigte ihn... - Niedergeschlagen, erschüttert kamen
wir nach Hause - er war etwas heiterer. Da überkam mich...
ich mußte weinen... weinen... an seiner Brust. Wenn
er das verlieren würde! Mein armer, armer Mann! Mein
Gustav! Ich kann nicht sagen, wie mich das ganze irritiert
hat. Erst das Wühlen in meinem Innersten... dann das
Ziel so nahe... und keine Befriedigung! Was ich da unverschuldet
gelitten habe... spottet jeder Beschreibung. - Und dabei seine
Qualen, seine unerhörten Qualen! Mein Geliebter.
|