4d ANNOUNCEMENT OF MARRIAGE
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BRUNO (Schwenkt
eine Zeitung:) Du solltest dich was schämen! Ist das
eine Art, seinen Freunden die Verlobung mitzuteilen? Gratuliere!
Gratuliere!
MAHLER Pssst!
Nicht so laut, Bruno! Du weckst ja die Toten auf!
BRUNO Oh!
Täusche ich mich oder ist der stolze Bräutigam verlegen?
MAHLER Na,
wie soll ich mich fühlen, wenn die Zeitungen mich ungefragt
verloben!
BRUNO Stimmt's
oder stimmt's nicht?
MAHLER Natürlich
stimmt's. Ich bin verrückt vor Liebe. Aber will man das
in der Zeitung lesen?
BRUNO Dann
umso mehr: Mazeltov!
MAHLER Bitte,
bitte... keine Beileidsbezeugungen!
BRUNO Was
ist denn los mit dir??
MAHLER Nichts.
Gar nichts. Bringen wir's hinter uns und der Rest ist Schweigen.
BRUNO Ich
muß schon sagen: ein drolliger Bräutigam, was,
Alma?!
MAHLER Schluß
damit, Bruno!
BRUNO Du
bist gut. Der Mann heiratet einen zweiundzwanzigjährigen
Engel, das schönste Mädchen Wiens, aus guter Familie,
reich, musikalisch, eine blendene Erscheinung...
MAHLER Möchtest
du nicht endlich aufhören?
BRUNO Ich
muß doch eine Rede halten!
MAHLER Mir
zu Liebe - laß es sein!
BRUNO Liebe
Freunde! Liebe Feinde! Unser lieber Gustav hat sich nun endlich
doch, nach Jahren konsequenten Jungesellendaseins, entschlossen,
sich einer weiblichen Wesen anzuvertrauen, mit dem er nicht
verwandt ist - und dies sei für uns ein nobler Grund
zu feiern! Ich erhebe daher mein erstes Glas auf das Wohl
des glücklichen Paares und sage: Lehayim! - Aber da wir
nun schon mal so ganz unter uns sind, Gustav, erlaube mir
ein auch paar Worte im Vertrauen: Wir, deine engsten Freunde,
deine Brüder, machen uns trotz allem doch auch ein wenig
Sorgen. Wir wären keine echten Juden, wenn wir das nicht
täten...! Also mußt du uns auch gar nicht besonders
ernst nehmen. Und Ihnen, liebe Alma, sei gesagt: es besteht
kein Grund zur Beunruhigung: wir Juden machen uns über
alles und jedes Sorgen. Wir sind auch gar nicht beunruhigt
darüber, daß du 41 bist und Alma erst 22 - weit
gefehlt! Das ist gar kein so großer Unterschied. Denn,
sehen sie, wenn Gustav einmal 120 ist, dann sind sie 101 -
und dann ist es schon gar nicht mehr so schlimm. Was uns aber
Sorgen macht, daß ist der Unterschied der Temperamente,
der Unterschied in eurem Wesen. Sie, verehrte Alma, sind jung,
schön, frei, voll Leben - sie blühen vor Vitalität
und sind gierig nach den Freuden des gesellschaftlichen Lebens
- wohingegen Gustav, unser lieber, alter Gustav, was ist?
Ein Asket! - Und das ist noch untertrieben! Er ist so weltfremd
und wenn er etwas liebt, das neben seiner Musik bestehen darf,
so ist es die Einsamkeit. Das müssen sie wissen, wenn
sie sich ihm anvertrauen. Wenn ihr euch also entschließen
solltet, zu heiraten, Alma - Gustav, so müßt ihr
nur immer eines bedenken: euer Leben ist von jetzt ab eine
sehr schwierige Etüde, vielleicht ein Nocturne, vielleicht
eine Mazurka - aber jedenfalls wird es immer ein Stück
für vier Hände sein...
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