7c LAY DOWN AT LEIDEN
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26. August 1910. GUSTAV MAHLER zu Besuch bei SIGMUND FREUD
im Seebad Leyden in Holland.
FREUD Wieviel
Zeit haben wir denn?
MAHLER Genug.
Vier Stunden.
FREUD Entschuldigen
Sie? Haben Sie gesagt «vier Stunden»? Vier Stunden?
MAHLER Mein
Zug nach München fährt um acht -
FREUD Lieber
Herr Direktor Mahler! Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!
Verehrter Freund!
MAHLER Wieso?
Ich muss morgen früh in München sein, ich habe dort
Probe...
FREUD Dann
muss ich Sie bitten zu gehen. Sie verschwenden nur Ihre Zeit
- und die meine!
MAHLER Aber
Professor Freud...
FREUD Ich
weiß gar nicht, was Sie sich von der Psychoanalyse für
Vorstellungen machen, wenn sie annehmen...
MAHLER So
gut wie keine.
FREUD Ach?
Und warum sind Sie dann zu mir gekommen? Extra hierher, bis
nach Holland? Die vier Stunden könnten Sie auf einer
viel bequemeren Couch verbringen. Gehen Sie ins Bordell! Das
ist weniger riskant und bringt Ihnen garantiert Erleichterung.
Ich werde meinen Schüler Jung für sie interviewen,
er kennt immer die vollsten Adressen, ich meine die tollsten
Adressen - «Eine schnelle Nummer in Leyden»!
MAHLER Es
ist mir nicht zum Lachen zumute, Doktor. Mein Zustand ist
sehr ernst.
FREUD Das
glaube ich Ihnen aufs Wort! Ein Mann in Ihrer Lage, in Ihrem
Alter! Was haben Sie denn erwartet? Einen Jungbrunnen?
MAHLER Aber
sie liebt mich.
FREUD Was
zum Teufel meinen Sie denn mit «Liebe»?
MAHLER Was
soll ich Ihnen sagen? Liebe. Liebe...! Meine Frau liebt mich.
Das Wort ist mein einziger Lebensinhalt. Im Augenblick wo
ich das nicht mehr sagen kann bin ich tot.
FREUD Also,
sie liebt Sie, ja? Ich nehme an, sie gibt Ihnen gute Gründe,
so zu denken.
MAHLER Ja,
allerdings.
FREUD Ich
verstehe... Zum Beispiel, indem Sie sie mit diesem Gropius
betrügt?
MAHLER Nein,
nein, sie sagte es mir danach, nachdem sie sich von ihm getrennt
hatte. Es war...
FREUD Gibt
es da etwas, das Sie mir gerne erzählen möchten?
MAHLER Ich
weiß nicht. Es ist so... es war sehr... beschämend.
Ich weiß nicht, ob ich es in Worte fassen kann. Es fällt
mir sehr schwer...
FREUD Das
ist ein guter Grund, es zu versuchen.
MAHLER Aber
wie soll ich Ihnen das... Sie müssen doch wissen, was
ich meine!... Ich meine... Es war... Ich konnte... Sie...
sie... es war... - Ahhh! C'est impuissible! Merde!... Es ist
unmenschlich. Ich kann es nicht...!
FREUD Sie
hatten ein Problem? - Ein potentielles Problem?
MAHLER Ja...
FREUD Erzählen
Sie! Wie war es genau?
MAHLER Sind
die Details so wichtig?
FREUD Lieber
Freund, der Teufel steckt im Detail - Und die Wahrheit auch.
MAHLER Oh
ja, ich weiß...
FREUD Wenn
Sie meine Hilfe in Anspruch nehmen wollen, müssen Sie
mir vertrauen. Führen Sie mich ins Dickicht der Einzelheiten,
führen Sie mich dorthin, wo es am dunkelsten ist. Also:
Erzählen Sie mir haarklein, wie es war.
MAHLER Nachdem
ich mich vom ersten Schock erholt hatte, sprach ich mit Alma.
Ich forderte sie auf, sich zu entscheiden. Ich ließ
sie mit ihrem Liebhaber allein zurück und ging in mein
Arbeitszimmer. Dort wartete ich auf das Urteil.
FREUD Was
taten sie währenddessen?
MAHLER Ich
las in der Bibel.
FREUD Altes
oder Neues Testament?
MAHLER Altes
natürlich.
FREUD Natürlich,
natürlich, entschuldigen Sie. - Fahren Sie fort.
MAHLER Eine
endlose Zeit lang geschah gar nichts. Sie waren da unten,
in meinem Haus, und ich war oben. Ich hatte mich völlig
in ihre Hände gegeben. Dann rief sie mich. Sie hatte
sich von Gropius verabschiedet und beschlossen, ihn nie wieder
zu sehen. Ich brachte ihn noch zum Gartentor. Wir schüttelten
einander die Hände, ohne jede Feindseligkeit, dann verschwand
er in der Dunkelheit. Zurück im Haus fiel mir Alma mit
einer solchen Inbrunst in die Arme, mit einer solchen Leidenschaft,
wie ich sie selten an ihr erlebt habe. Wir weinten wie die
kleinen Kinder. Hemmungslos. Sie küsste meine Tränen
und bat mich, die Nacht in getrennten Schlafzimmern verbringen
zu dürfen. Ich flehte sie an, die Türe offen zu
lassen - ich wollte sie wenigstens atmen hören. Sie gewährte
es mir und ich muss gestehen, ich verbrachte Stunden vor ihrem
Zimmer... Ich lag auf dem Teppich im Flur, den Kopf an ihrer
Türschwelle... Ich war wie von Sinnen. Das ging so tagelang.
Dann... eines Nachts... ließ sie mich zu sich. Sie schenkte
mir ihre Gegenwart. Es war unbeschreiblich. Ich lag neben
ihr und sie flüsterte mir ins Ohr: «Ich liebe deinen
Geist, ich liebe ihn über alles.... aber dein Körper
ist mir so fremd, so seltsam, so... fern. Trotzdem - ich möchte
dir angehören. Nur dir. Nimm mich und reinige mein Fleisch
von dieser schrecklichen Erinnerung!» Aber ich - ich-
ich - ich -
FREUD Oi
oi oi oi oi!!... Genug, genug!...
MAHLER Warum
hat sie mir das angetan? Was hab' ich denn getan? Meine Liebe
war so rein, so groß, so absolut, ich dachte, ich hätte
nichts zu befürchten! Und ich befürchtete auch nichts.
Und dann plötzlich dieser Shmock - ich meine Schock!
Mir war, als hätte man mir den Boden unter den Füßen
weggezogen. - Auf meiner Reise hierher habe ich folgendes
geschrieben: «O wonniger Tod in schmerzvollsten Stunden!
O Leben - sprieße auf aus meinen Wunden!»
FREUD Ihre
Musik... Lassen Sie uns über Ihre Musik sprechen.
MAHLER Was
soll ich ihnen darüber sagen?
FREUD Ihr
erstes selbst komponiertes Stück...?
MAHLER Eine
Polka. Ich war erst sechs. - Mit einem Trauermarsch als Einleitung.
FREUD Einem
Trauermarsch?
MAHLER Ja,
ein so genannter «Zalozpev». Meine Muttersprache
ist Böhmisch. Ein Zalozpev ist eine Art Klagelied, fast
schon ein Jammern. Die Instrumente geben den Eindruck einer
Wehklage wider oder das Gefühl des Heulens oder Schluchzens,
wie meine Mutter es so oft getan hat...
FREUD Wie
Ihre Mutter es getan hat?
MAHLER Sie
hat sehr viel gelitten.
FREUD Ihr
Vater - ?
MAHLER Ja,
ja. Natürlich. Er war gewalttätig, brutal. Aber
er war der Erste, der sich für mein musikalisches Talent
interessiert hat, er hat es sehr früh schon erkannt.
Er hat mich ermutigt, Musik zu spielen.
FREUD Wie
alt waren Sie da?
MAHLER Drei.
Ich spielte Ziehharmonika. - Als ich vier war, zog eine Militärparade
an unserem Haus vorbei. Ich war wie elektrisiert, ich rannte
sofort hinaus, mit meiner kleinen Ziehharmonika in der Hand
und schloss mich ihnen an. Ich marschierte hinter ihnen her
wie ein kleiner Tambourmajor und spielte alle Melodien aus
dem Stegreif mit. Es war ganz früh am Morgen, ich hatte
noch mein Nachthemd an und ich war barfuss, obwohl es Herbst
war...
FREUD Worüber
lachen Sie?
MAHLER Ich
erinnere mich, daß ich später noch oft den Militärkapellen
zugehört habe. Ich war wie besessen davon, ich ging so
völlig auf in der Musik, daß ich einmal in die
Hosen machte, ohne es überhaupt zu bemerken. Ich glaube,
ich habe mich damals nicht einmal geschämt. - Und einmal
in der Synagoge, als ich den Kantor singen hörte, sprang
ich auf und schrie: «Aufhören! Aufhören! Das
ist doch keine Musik! Das ist doch keine Musik!»
FREUD Wurden
Sie bestraft?
MAHLER Nein,
nein. Wer sollte mich denn bestrafen?
FREUD Ihr
Vater...
MAHLER Oh
nein. Der hat mich nur bestraft, wenn ich heimlich Bücher
las oder wenn ich mit anderen Kindern spielte, statt zu üben
- aber wenn es meine Musik anging... Ha! Er hätte mich
nicht einmal mit dem kleinen Finger angerührt. Alles
in unserer Familie war auf meine musikalische Ausbildung konzentriert.
Ich konnte verlangen, daß alle das Zimmer verlassen
mussten, wenn ich spielte, sogar mein Vater. Und er tat es
widerspruchslos. Nur Otto durfte zuhören, wenn ich improvisierte
oder meine eigenen kleinen Stücke spielte.
FREUD Wer
ist Otto?
MAHLER Mein
Bruder. Mein armer, kleiner, toter Bruder Otto. Er durfte
zuhören. Er musste dafür aber meine Schuhe putzen
und meine Kleider ausbürsten, und dann saß er da
und hörte mir mit großen Augen zu...
FREUD Als
sie ein kleines Kind waren, da hat Ihnen also Ihre Musik zu
Macht verholfen.
MAHLER Das
könnte man so sagen. Ja. Und zu Aufmerksamkeit. Und Ruhm
und Ehre.
FREUD Ein
bitterer Ersatz für die Liebe...
MAHLER Wie
bitte? Jetzt hab ich sie nicht verstanden.
FREUD Nichts.
Ich habe nur laut gedacht.
MAHLER Sagten
Sie: «Ein bitterer Ersatz für die Liebe»?
FREUD Wie
denn würden Sie den Ruhm bezeichnen?
MAHLER Ich
weiß schon, worauf sie hinauswollen. Sie denken, Alma
hat nur den Direktor der Hofoper geheiratet, nicht wahr? Das
hat Sie geblendet. Wollen sie damit sagen, daß sie all
die Jahre nur durch meinen Ruhm, durch mein Ansehen und durch
meinen Beruf mit mir verbunden war? Daß das der Ersatz
für die Liebe war?! Auf diese Weise würde sie all
die Jahre sehr gelitten haben müssen. Das ist es doch,
was Sie sagen wollen?
FREUD Ich
weiß nicht... Vielleicht wurde sie so zu einer Ersatzfigur
für Ihre Mutter, die auch stumm gelitten hat in all den
Jahren, in denen sie ihre Tränen ersticken musste, hinunterwürgen,
die ihr tyrannischer Vater ihr verboten hatte zu zeigen. Also
weinte sie im Stillen, im Geheimen, schweigend. Weinte lautlos
und schluchzte unhörbar, weil niemand es bemerken durfte
- und legte all ihre Hoffnungen in die kleine Existenz ihres
Sohnes. Denn der würde ja eines Tages in ihrem Namen
die Posaunen ertönen lassen und in einem gewaltigen,
vielstimmigen, unüberhörbaren Aufschrei ihren Schmerz
und ihre Verzweiflung in die ganze Welt hinausschreien. In
seiner Musik...! - Wie war der Name Ihrer Mutter? Marie?
MAHLER Ja...
Sie hieß tatsächlich Marie.
FREUD Erstaunlich,
daß Sie dann eine Alma geheiratet haben. Erstaunlich.
Hat Ihre Frau noch einen zweiten Namen?
MAHLER Einen
zweiten Namen? Maria.
FREUD Ah!
Und was tat Al-Mama-ria, als sie beide sich kennen lernten?
MAHLER Was
sie tat? Nichts Besonderes. Was junge Mädchen halt so
tun. Lesen, Klavier spielen... Ich glaube sie hat auch ein
paar Lieder komponiert...
FREUD Ich
habe noch nie von ihr als Komponistin gehört.
MAHLER Das
liegt daran, dass... sie nie aufgeführt wurde. Ich habe
ihr das Komponieren verbieten müssen. Es war eine Art
Bedingung für unsere Heirat.
FREUD Sie
wissen, was Sie damit angerichtet haben?
MAHLER Ich
kann es mir vorstellen...
FREUD Ich
habe noch Alma Marias Vater gekannt, den alten Schindler.
Sie kennen ja sicher seine Malerei. Als er starb, war ihre
Frau noch ein ganz kleines Kind. Sie hat ihren Vater sehr
geliebt. Seit damals sucht sie einen Ersatz für diesen
früh verstorbenen Vater. Ihr fortgeschrittenes Alter,
lieber Mahler, das sie so ängstlich macht, sie zu verlieren,
ist exakt der Punkt, der Ihre Frau an ihnen fasziniert. Gehen
Sie zu Ihr zurück, schließen Sie sie in die Arme,
halten Sie sie fest und geben Sie ihr all die Liebe, die sie
für Ihre Mutter empfunden haben. Sie werden sie zur glücklichsten
Frau auf Gottes Erde machen! - Warum weinen Sie denn jetzt?
MAHLER Ich
muss an eine Szene denken, die sich einmal in unserer Küche
abgespielt hat als ich noch ganz klein war. Es war eine schreckliche
Szene, schlimmer noch als alle anderen zuvor. Mein Vater schlug
meine Mutter, er prügelte sie wie einen Hund, ich konnte
es nicht mehr mit ansehen. Ich rannte aus dem Haus. Ziellos.
Ich wusste gar nicht wohin. - Da sah ich auf der Straße
einen Drehorgelspieler an der Ecke stehen. Es spielte «O
du lieber Augustin», das weiß ich noch ganz genau.
Sie kennen das Lied ja. Er sah mich freundlich mit seinen
hellen Augen an und drehte langsam die Kurbel, während
ein kleiner livrierter Affe auf dem Leierkasten hockte und
mit einer Blechbüchse Geld einsammelte. Das Gesicht des
Affen war ganz anders als das des Drehorgelspielers. Zumindest
kam mir das so vor. Er schien mich nämlich anzugrinsen,
auszuspotten, höhnisch, zähnefletschend, während
sein Herr immer wieder die Mütze zog und freundlich grüßend
dieses Lied spielte: «O du lieber Augustin, Augustin,
Augustin, o du lieber Augustin, alles ist hin!». Das
lässt mich seitdem nicht mehr los. Es ist wie ein Fluch.
Denn in diesem Augenblick haben sich tiefe Tragik und oberflächliche
Unterhaltung unlösbar in meiner Seele verknüpft
und die eine Stimmung zieht unweigerlich die andere mit sich.
Denn wie sehr ich mich auch bemühe, bei den edelsten
Stellen in meiner Musik, gerade bei denen, die von meinen
tiefsten Gefühlen inspiriert sind... es hindert mich
etwas, die angestrebte Vollkommenheit zu erreichen, weil mir
plötzlich irgendeine vulgäre, spöttische Melodie
dazwischentritt, ihren Platz einfordert - und... alles verdirbt!
FREUD Ach
Gustav, so hören sie doch auf! Schon wieder diese Anmaßung!
Diese Arroganz, alles auf sich persönlich zu beziehen.
Das hat doch nichts mit ihren Eltern zu tun oder mit dem «lieben
Augustin» oder einem zähnefletschenden Affen! Diese
explosive Mischung aus Groteske und Sublimem fließt
in ihren Adern. Es ist ihr Blut! Ihr jüdisches Blut!
Und wissen sie, warum das so ist? Weil Gott crazy ist. Total
verrückt, verstehen sie? Er ist meschugge! Und wir wissen
das. Also: braucht er eine gute Analyse. Eine profunde, ausgedehnte
Analyse. Und anschließend eine sensible Behandlung.
Aber er wird sich nicht auf die Couch legen, er wird es nicht
tun. Hahaha! Er wird sich hüten! - Also kommen sie, Gustav,
kommen sie. Wir machen einen Spaziergang durch die schöne
holländische Stadt Leyden, wenn sie schon den weiten
Weg auf sich genommen haben. Ich zeige ihnen was. Und dann
erzähl ich ihnen auch ein paar jüdische Witze: Kommt
Sarah Goldstein zum Begräbnis von ihrem Mann. Sagt der
Rabbi...
MAHLER Ich
bin nicht so erpicht auf Witze.
FREUD Wissen
sie, was ihr Problem ist, Gustav? Sie nehmen die Dinge viel
zu ernst. Ihre siebenundzwanzigjährige Frau hat sie mit
irgendeinem stinkenden Architektenschwanz betrogen. So what?
Nebbich. Was ist schon dabei? Was ist denn Großartiges
passiert? Es hätte schlimmer kommen können.
MAHLER Schlimmer?
Wie denn, zum Beispiel?
FREUD Wenn
Sie sie mit dem Architekten betrogen hätten, zum Beispiel.
Hahaha!... Übrigens, ich habe den Verdacht schon die
ganze Zeit, dass dieser Gropius nicht in ihre Frau verliebt
ist, sondern in Sie. Hätte' er ihnen sonst einen so feurigen
Liebesantrag gemacht, hmm?
MAHLER Das
war eine Verwechslung.
FREUD Wer
weiß? Wer weiß?
MAHLER Ich
sage ihnen, er ist in sie verliebt. Ich hab doch Beweise.
FREUD Glauben
sie mir, Gustav, wenn es meine Frau wäre, würde
ich mir da überhaupt keine Gedanken machen.
MAHLER Glauben
sie mir, Sigi, wenn es ihre Frau wäre, würde ich
mir auch keine Gedanken machen!
FREUD Schauen
sie, a Frau ist doch wie a Regenschirm - früher oder
später nimmt ma' sich doch a Taxi. Hahaha!
MAHLER Was
soll ich denn machen? Ich öffne meine Augen in der Früh
und winde mich in Krämpfen.
FREUD Aber
das ist doch ganz natürlich. Wenn man die halbe Nacht
auf dem Vorzimmerläufer seiner Angebeteten verbracht
hat, ist das kein Wunder. Er windet sich in Krämpfen!
Das ist ja großartig!
MAHLER Was
ist daran großartig?
FREUD Gustav,
Gustav! Wenn sie über fünfzig sind und sie wachen
in der Früh auf ohne Schmerzen - dann können sie
sicher sein, dass sie tot sind. Hahaha!
MAHLER Ich
wollte, es wäre so.
FREUD Das
kommt schon noch früh genug, machen sie sich keine Sorgen.
Auch sie sind nicht unsterblich!
MAHLER Wie
tröstlich. Das ist mir eine große Beruhigung.
FREUD Glauben
sie mir: Es is a soi schwer zu sterben - scho besser zu leben!
MAHLER Woher
wollen sie das wissen? Haben sie's schon versucht?
FREUD Nein,
nein, lieber Freund, und es hat auch noch keine Eile damit.
Glauben Sie mir, Erfahrung besteht hauptsächlich aus
den Erfahrungen, die man nicht zu machen wünscht.
MUSIK eines Trauermarsches dringt von der Straße herauf.
MAHLER Was
ist das?
FREUD Ein
Begräbnis.
MAHLER Ein
Patient von Ihnen?
FREUD Nein,
nein. Ein sehr berühmter Dirigent aus Wien. Sie kennen
ihn sicher.
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