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Das Polydrama
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2c ADIEU MAX BURCKHARD
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1901. ALMA SCHINDLER und Burgtheaterdirektor MAX BURCKHARD im Streit.

BURCKHARD   Alma! - Was ist denn auf einmal los mit Ihnen? - Hab' ich was falsch gemacht? Alma, bleiben Sie da! Hab ich Sie verletzt? ... Alma!! Wieso sind Sie denn böse auf mich? Erinnern Sie sich doch an gestern! Haben Sie das alles vergessen? Nietzsche! Schopenhauer! Das war doch herrlich! Und jetzt auf einmal... Bleiben Sie doch stehen! Was soll denn das?! Antworten Sie mir, Alma! Sagen Sie wenigstens, was los ist! Ich kann es ja nicht ahnen! Welche Todsünde hab' ich denn begangen, daß Sie mich so...

ALMA   Mein armer Max...

BURCKHARD   «Mein armer Max!» Ist das eine Antwort? Soll das ein Trost sein? Wofür? Ich weiß, daß ich arm bin. Sie haben ja ausreichend dafür gesorgt, daß ich es nicht vergesse. Ich bin Burgtheaterdirektor und unansehnlich...

ALMA   Machen Sie sich nicht lächerlich!

BURCKHARD   Jetzt bin ich auch noch lächerlich? - Sie haben es gerade gesagt. Sie brauchen sich nicht dafür zu entschuldigen. Das macht's auch nicht besser.

ALMA   Waren wir nicht immer gute Freunde... Lassen wir's dabei.

BURCKHARD   Gute Freunde?... Machen Sie Witze? Wir sind Verschworene im Geiste! Vergessen Sie das nicht! Ich habe Ihnen nichts verheimlicht und Sie mir auch nicht! Gar nichts! Wir haben uns berührt...

ALMA   Mit dem Kopf, Max. Nur mit dem Kopf.

BURCKHARD   «Nur» mit dem Kopf? «Nur»?! Das ist das intimste, was es gibt, Alma! Viel intimer als das ganze viehische Treiben, vor dem ich Sie immer gewarnt habe! Sie dürfen sich nicht besudeln lassen!

ALMA   Bitte werden Sie nicht gewöhnlich, ja!

BURCKHARD   Alma, ich weiß ja, daß ich kein Sokrates bin. Aber...

ALMA   Max, ich warne Sie! Hören Sie auf damit!

BURCKHARD   Ja, ja. Sie haben es mir oft genug gesagt.

ALMA   Das war doch nur im Spaß.

BURCKHARD   Nein, nein, das war nicht im Spaß, meine Liebe, das war gar nicht im Spaß. Ich weiß doch, wie Ihre Verehrer über mich reden, ich gebe mich da keiner Illusion hin. Es ist alles wahr. Alles ist wahr. Alles, was sie sagen, stimmt.

ALMA   Äußerlichkeiten haben mich noch nie interessiert.

BURCKHARD   Oh doch, meine Liebe, sie interessieren Sie sogar sehr! Dazu kenn' ich Sie jetzt schon gut genug. Charme, Ruhm, Talent... Ich besitze nichts davon.

ALMA   Das haben Sie doch alles, Max!. Und Sie haben Geist. Vergessen Sie das nicht!

BURCKHARD   Ich bin mir da nicht mehr so sicher, wissen Sie.

ALMA   Wollen Sie Komplimente hören? Ja? Sie haben Geist. Und was für einen Geist Sie haben! Vielleicht sind Sie sogar ein Genie...?!

BURCKHARD   Alma! Ich brauche Sie, verstehen Sie?! Ich will Sie formen! Ich will Sie bilden! Geh'n Sie nicht weg von mir! Bitte! Mein Gott, so lassen Sie mich doch nicht so betteln wie ein kleines Kind. Haben Sie denn soviel zu geben, daß die anderen immer betteln müssen? - Na schön. Ich habe nichts. Ich muß betteln.

ALMA   Hören Sie sofort auf!! Hören Sie sofort auf!!! Verstehen Sie mich?! Hören Sie sofort auf, sich zu erniedrigen. Ich ertrage es nicht. Sie dürfen sich nie, nie, hören Sie, niemals vor mir erniedrigen. Sie dürfen nicht um meine Liebe betteln!

BURCKHARD   Wenn Sie sich mir verweigern...

ALMA   Damit versetzen Sie sich den Todesstoß, verstehen Sie das nicht? «Wenn jemand um Hilfe bittet, darf man sie ihm nicht geben.» Denn dann ist er ihrer nicht würdig! Das haben Sie mich selbst gelehrt, Max! Wenn mich ein Mann um etwas bittet, wenn er bettelt darum, dann ist er für mich gestorben.

BURCKHARD   Und? Bin ich jetzt tot?

ALMA   Sie tun wirklich alles, um mir die Sache zu erleichtern.

BURCKHARD   Die «Sache»?!... Welche «Sache» denn? Was müssen Sie sich denn erleichtern?!!

ALMA   Ich bin in einer verzweifelten Lage.

BURCKHARD   Wer ist es denn?

ALMA   Max, bitte....

BURCKHARD   Wer ist es? Sagen Sie mir den Namen. Ich möchte wenigstens seinen Namen wissen.

ALMA   Es ist Alex.

BURCKHARD   Zemlinsky? Wieso Zemlinsky? Den haben Sie doch schon?!

ALMA   Nein, Sie Depp! Ich mache doch nur Experimente.

BURCKHARD   Ich weiß.

ALMA   Aber nein, ich experimentiere mit mir selbst: Ich flüstre «Geliebter!» und immer kommt mir dann Zemlinsky zuerst in den Sinn.

BURCKHARD   Und danach? Wer kommt danach? Hmm?! Ich kann ihn ja förmlich riechen an Ihnen! Was hat er denn, das ich nicht habe? Ist er jünger? Schöner? Reicher?

ALMA   Nein.

BURCKHARD   Wer dann? Ich sehe doch, was Ihnen durch den Kopf schießt, wenn Sie mich so anschauen! Mir werden Sie nichts erzählen, Sie kleine, geile Sau. Sie wollen glänzen wie ein Stern! In der allerersten Reihe. Der schönste, hellste Stern am Firmament. Der Abendstern. Und dafür brauchen Sie Geld und Ruhm und Ansehen. Und einen Mann zum Vorzeigen. Das alles kann ich Ihnen nicht bieten. Stimmt. Und Liebe brauchen Sie ja nicht. Und das wäre doch das einzige, wo ich mithalten könnte. - Warum lachen Sie jetzt?

ALMA   Einen Mann zum «Vorzeigen»! Haben Sie eine Ahnung!

BURCKHARD   Nicht zum Vorzeigen? Dann muß er aber sehr reich sein.

ALMA   Er ist auch nicht reich.

BURCKHARD   Berühmt?

ALMA   Max, hören Sie auf. Sie machen alles nur noch schlimmer.

BURCKHARD   Ist er sehr berühmt? Weltberühmt?

ALMA   Noch nicht.

BURCKHARD   Ahhh!! - Wer ist es?!!!

ALMA   Es ist (spricht undeutlich) Gstmul....

BURCKHARD   Wie bitte?!...

ALMA   (wieder undeutlich:) Gstmul....

BURCKHARD   Hören Sie auf mit dem Unsinn. Sagen Sie mir den Namen!

ALMA   Ich habe ihn gesagt. Jetzt lassen Sie mich zufrieden!

BURCKHARD   Sie machen mich wahnsinnig! (imitiert sie:) Gstmul....Wer soll denn das sein? - Buchstabieren Sie mir den Namen.

ALMA   Max! Hören Sie auf. Sie gehen mir auf die Nerven. Quälen Sie mich nicht.

BURCKHARD   «Quälen Sie mich nicht»??! Sie quälen doch mich! Bis aufs Blut. Wer ist der Mann? Ich möchte wissen, wer es ist, verdammt nochmal!!!!!

ALMA   Pssst!! - Es ist... (zeigt ihm ein Bild)

BURCKHARD   (Es scheint ihm zu dämmern:) Oh bitte nicht! Bitte nicht. Alma! ... Der? (Alma nickt) Das kann doch nicht Ihr Ernst sein? Gustav M a h l e r? Das hässliche Entlein?

ALMA   Na Sie haben es notwendig!

BURCKHARD   Oh mein Gott!!! - Er könnte Ihr Großvater sein!

ALMA   Sie sind geschmacklos.

BURCKHARD   Na, aber zumindest Ihr Vater.

ALMA   Er ist zweiundvierzig. Na und?

BURCKHARD   Na und? Das ist zweimal Ihr Leben!

ALMA   Er liebt mich.

BURCKHARD   Er liebt Sie? Dieser verschrumpelte, hämorrhoide Affe? Diese hysterische Sprotte? Todkrank, verschuldet und impotent? Frisst nur Vollkornbrot und Obst! Und genauso komponiert er auch!

ALMA   Er ist vielleicht kein Beethoven, aber er hat Talent.

BURCKHARD   Kein Beethoven?!... Er ist Jude! Jude, Alma! Auch wenn er konvertiert ist. Mit Weihwasser läßt sich sowas nicht abwaschen! Ein Jude kann niemals ein echter Künstler werden...!

ALMA   Das stimmt nicht! Seine Lieder...

BURCKHARD   Seine Lieder? Woher kennen Sie die?

ALMA   Er hat sie mir geschickt.

BURCKHARD   Ach, sieh mal einer an! Ach sieh mal einer an, so weit sind Sie also schon?! Seine Diätmusik. Mit dem unwiderstehlichen Charme von Apfelkompott! Verfehlt seine Wirkung nie - als Abführmittel! Pfffftt.... Verschonen Sie mich damit!

ALMA   Regen Sie sich wieder ab, ja! Ich sage ja nicht, daß ich restlos begeistert bin. Im Gegenteil. Aber einige seiner Lieder...

BURCKHARD   Hören Sie doch auf! Das glaubt Ihnen doch kein Mensch! Als Komponist ist er eine Katastrophe, eine Null, das wissen Sie ganz genau. Alma! Wie können Sie nur?! Sie sind doch intelligent, Sie haben ein feines musikalisches Gehör, Sie müssen doch wissen, wovon Sie reden! Sie haben mit Ihren zweiundzwanzig Jahren schon bessere Musik komponiert als Gustav Mahler in zweitausend Jahren zusammenschmieren wird. Jedes einzelne Ihrer Lieder ist schöner als alle seine endlosen, aufgeblasenen Symphonien zusammen genommen!

ALMA   Es ist auch nicht seine Musik! Seine Musik berührt mich nicht im geringsten, verstehen Sie? Sie sagt mir nicht so viel! (schnippt mit dem Finger) Aber er! Er! Er ist es, der mich fasziniert. Nur er. Sonst gar nichts. Es ist... Ich weiß nicht, wie ich sagen soll...

BURCKHARD   Ja, ja, ja, natürlich! Das «gewisse Etwas»! Das Unaussprechliche, das «je ne sais quoi»! Und seine Stellung als Hofoperndirektor! Machen Sie sich doch nichts vor, Alma. Sie Äffchen! Sie wollen doch nur am Leierkasten sitzen, schön herausgeputzt, mit einem roten Käppchen, eine Schale Geld in der Hand und der Herr Direktor dreht die Kurbel! Und ganz Wien tanzt dazu! Aber nicht mit mir! (Er will Alma umarmen, um sie zu küssen.) Alma... Kommen Sie her, kommen Sie her zu mir!

ALMA   Hören Sie auf! Hören Sie auf, Max! Sind Sie verrückt?! Rühren Sie mich nicht an...! Sie sollen mich... Gehen Sie weg!! Gehen Sie ... weg!!! (Spuckt aus) Wäähhh! (Pause) Wäre ich ihm doch nur drei Jahre früher begegnet, dann wäre mein Geist jetzt nicht von Ihnen verpestet und verseucht!

BURCKHARD   Ahhhh... Jetzt erkenne ich Sie, Alma. Endlich. Habe lange warten müssen. Ihre grenzenlose Eitelkeit, Ihre Vergnügungssucht, Ihre lächerlichen Hirngespinste! Sie sind tot! Sie sind verloren...!

ALMA   Ganz im Gegenteil, mein Lieber. Sie können Ihre Ratschläge in Zukunft für dich behalten, Herr Direktor. Ich werde sie nicht brauchen. Ich werde diesen Mann lieben. Bis an mein Lebensende! Ich werde leben für ihn, ich werde für ihn sorgen. Und ich werde komponieren, ich werde sogar dirigieren! Dieser Mann ist reiner Sauerstoff für mich! Man verbrennt, wenn man ihm zu nahe kommt!!

BURCKHARD   Und ich? Was war dann ich?

ALMA   Schwefel. Brennt auch, stinkt aber mehr.

BURCKHARD   Na schön, dann gehen Sie! Ficken Sie sich hoch zu Macht und Glorie!! Dazu sind Sie ja geboren!

ALMA   Das können Sie Gott sei Dank nicht beurteilen.

BURCKHARD   Adieu ma vie, adieu mon coeur, adieu mon esperance! - Ich brauche jetzt Betäubung. Ich brauche Alkohol. Alkohol! Und Gesellschaft. Damit ich diese Trüffel mit den Schweinen teilen kann. Wenn Sie Ihres jüdischen Ziegenbocks überdrüssig sind, können Sie mich ja besuchen. Sie werden mir immer willkommen sein!