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08a | Dead Friends

ALMA
Was soll ich hier?

ALMANIAC
(zeigt Alma die Bildergalerie von Gustav Mahlers jüdischen Freunden)
Ich dachte, es wird Zeit, dass ich Ihnen Gustavs Freunde vorstelle.

ALMA
Schauen Sie sie doch an, wie sie mich anstarren, seine feinen Herren Freunde. Sie sagen nichts, sie starren nur. Starren mich nur an mit ihren widerlichen, stechenden Augen, aus denen mich ihr Judentum anspringt wie eine tollwütige Hündin. Sie spießen mich auf wie ein Insekt, das sie glauben gefangen zu haben, um es unter Glas zu setzen. Sie wiegen mich und messen mich wie einen Teppich auf dem Bazar, rollen mich auf und wieder zu, prüfen, wie ich geknüpft bin, setzen ihre Skalpellaugen an, wo immer sie können, stoßen zu und schneiden mich auf an allen Ecken und Enden, wo sie glauben, daß sie hineinkönnen in mich, um ihre Rüssel anzusetzen und mich auszusaugen, bis aufs Blut. Sie legen jedes Wort von mir auf die Goldwaage, um es zu wägen und natürlich für zu leicht zu befinden, für zu jung, zu lebensfroh, zu fremd!! Ich sehe keine Menschen um mich, ich sehe nur Augen, Augen, Augen!!! Ich kann es in ihren Pupillen lesen, ich kann es förmlich hören, was sie reden, wie sie sich das Maul über mich zerreißen, im Cafehaus, im Theater, auf der Toilette! A Schickse für unsren Gustav! Für unser Wunderkind?!!! Gott soll abhüten! Das kann nicht gutgehen! Das wird nix. Das is' a Schmockerei!! Rettet Gustav! Er ist für Höheres geboren! Er muß sich nicht wegwerfen! Er is' e Messias! Er is' e Messias!

ALMANIAC
Alma — Hören Sie doch auf!

ALMA
Er will mich anders, ganz anders... und auch ich will es. Es gelingt mir auch, solang' ich bei ihm bin — aber wenn ich allein bin, dann kommt mein zweites, eitles, schlechtes Ich und begehrt Auslass. Und ich willfahre — aus meinen Augen strahlt Frivolität, mein Mund lügt. Lügt in einem fort. Und er... fühlt es... weiß es... jetzt erst, in dem Moment weiß ich's, ich muß zu ihm hinauf! Ich lebe ja nur von ihm. — Er beschwört mich zu reden... und ich... kann kein warmes Wort finden. Keins. Das ist das Ende. (Musik: Mahler 1. Symphonie, 1. Satz) —Sagen sie ihm, daß er seinen Fluch von Alma Schindler abziehen soll, weil sie frei ein will, frei sein muß! Hören sie, was ich sage?! Ich muß frei sein, ich darf mich nicht fesseln lassen. Sagen sie ihm das, wenn sie sein Freund sind. — Er hält von meiner Kunst gar nichts, von seiner viel — und ich halte von seiner Kunst gar nichts, und von meiner viel. So ist es! Irgendwo brennt eine Wunde in mir, die niemals ganz verheilen wird... – Das Tier in mir will heraus, es schreit nach Freiheit! Ich schaue in den Spiegel und sehe meine Augen, wie sie vor Lust sprühen und funkeln. Und dann juckt's mich, und ich möchte etwas Böses tun. Es gibt soviel Böses, was es sich zu tun lohnte. Ach, nur ein wenig Böses! Eltern hat man, um Sie zu belügen, Männer hat man, um Sie zu betrügen, Seele hat man, um Sie zu vertieren, Gott, o Gott! Was liebst du so das Böse!? – Ich weiß nur das eine — welche ist die Wahre? Werde ich nicht ihn und mich unglücklich machen? Wenn ich lüge — und lüge ich? Dieses tiefe Gefühl der Seligkeit, wenn er mich beglückt ansieht. Auch Lüge? Nein — nein — Ich muß die andere verbannen, die die bis jetzt geherrscht hat — sie muß hinab — Ich muß alles tun, um Mensch zu werden — alles mit mir geschehen lassen.

Frau solo (Word-Doc)