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Die Puppe
Oskar Kokoschka bestellte im Juli 1918 bei der Münchener Puppenmacherin
Hermine Moos als Ersatz für die verlorene Geliebte eine lebensgroße
Puppe nach dem Vorbild Alma Mahlers. Am 22. Juli konnte Kokoschka
bereits ein Kopfmodell zurücksenden, nachdem er es eingehend
geprüft und Vorschläge für die weitere Vorgehensweise
gemacht hatte. »Sehr neugierig bin ich auf die Wattierung, auf
meiner Zeichnung habe ich die mir wichtigen Flächen, entstehenden
Gruben, Falten etwas schematisch angedeutet."
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links: Kokoschkas Brief
an Hermine Moos
rechts: Studie zur "Frau in blau" (1919) |
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Vollendet war die Puppe erst in der zweiten Februarhälfte des
Folgejahres, am 22. Februar ersuchte Kokoschka um deren Zustellung.
Die Enttäuschung war groß, der Puppen-Fetisch konnte Kokoschkas
erotischen Anforderungen kaum erfüllen und erfuhr schließlich
eine Verwandlung zum Modell. Der Versuch, die tote Materie zum Leben
zu erwecken und über die erkannte Unzulänglichkeit hinwegzutäuschen,
kennzeichnet viele Werke, die Kokoschka nach dem Fetisch schuf. Eines
der eindrucksvollsten und unmittelbarsten Zeugnisse von Kokoschkas
Fetisch aber ist das Gemälde, das die blau gekleidete Alma-Puppe
auf dem Sofa wiedergibt. Kurt Pinthus erinnerte sich rückblickend
an einen Besuch in Kokoschkas Atelier: »In Kokoschkas Wohnraum,
auf dem Sofa, hinter dem runden Tisch, saß lebensgroß,
schimmernd weiss, gekrönt von kastanienbraunem Haar, einen blauen
Mantel um die Schulter, die Puppe, der Fetisch, die künstliche
Frau, die ideale Geliebte, das ideale Modell.«
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links: "Hingabe"
(1918)
rechts: Hermine Moos mit der Puppe |
Kokoschka: Endlich, nachdem ich sie hundertmal gezeichnet und
gemalt hatte, habe ich mich entschlossen, sie zu vernichten.
Die Puppe hatte mir die Leidenschaft gänzlich ausgetrieben.
Ich machte also ein großes Champagner-Fest mit Kammermusik,
während dessen mein Kammermädchen Hulda die Puppe
mit all ihren schönen Kleidern zum letzten Mal vor- führte.
Als der Morgen graute - ich war wie alle anderen sehr betrunken
- habe ich im Garten der Puppe den Kopf abgehackt und eine Flasche
Rotwein darüber zerschlagen. Am nächsten Tag schauten
ein paar Polizisten zufällig durch das Gartentor, erblickten
wie sie meinten den blut überströmten Körper
einer nackten Frau, und stürzten in der Verdächtigung
eines Liebesmordes ins Haus hinein. Genau genommen war es das
auch, denn an jenem Abend hab ich die Alma ermordet...
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Oben: Die Puppe
Rechts: Oskar Kokoschka: Mädchen mit Puppe (1921/22) |
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